Bedürfnisse in der Beziehung richtig kommunizieren

Jeder Mensch hat unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse. Sehr häufig erwarten wir von unseren Partner*innen, dass sie diese von selbst erkennen und automatisch erfüllen – wenn dies nicht geschieht führt das nicht selten zu Unzufriedenheit, Spannungen und Frustration.

Der Glaube, der unser Partner bzw. unsere Partnerin von sich aus immer weiß, was wir brauchen oder uns wünschen, ist jedoch unrealistisch – immerhin kann niemand von uns Gedanken lesen. Der Weg zu einer erfüllten Beziehung führt also nicht an offener Kommunikation vorbei. 

Die eigenen Bedürfnisse einerseits richtig zu erkennen und dann auch noch richtig zu verbalisieren ist zwar nicht immer leicht, den Aufwand aber allemal wert – denn durch die richtige Kommunikation können wir in unseren Beziehungen mehr Harmonie, Zufriedenheit Vertrauen erreichen.


Individuelle Bedürfnisse in der Beziehung

So sehr wir auch eine Einheit mit unserem Partner bzw. unser Partnerin sein mögen, ist doch jeder von uns ein Individuum mit eigenen Wünsche und Bedürfnissen, die befriedigt werden müssen, damit wir glücklich sind. Probleme in der Beziehung treten gewöhnlich erst dann auf, wenn wichtige Bedürfnisse unbefriedigt bleiben oder missachtet werden.

Da wir als Menschen sehr vielschichtig und nicht immer leicht durchschaubar sind, ist es im Grunde nicht möglich, seinen Partner / seine Partnerin 100%ig zu kennen und in jedem Moment und jetzt Situation genau zu wissen, was er oder sie gerade baucht. Da wir einander also immer nur zu einem gewissen Grad kennen und einschätzen können, ist eine „perfekte“ Beziehung, in der keine Bedürfnisse oder Erwartungen enttäuscht werden, nicht unbedingt realistisch. Trotzdem können wir darauf hinarbeiten, indem sich beide Seiten über ihre Bedürfnisse, Erwartungen und Werte klar sind und lernen, sie ihrem Partner / ihrer Partnerin so gut wie möglich zu kommunizieren.

Wie du deine eigenen Bedürfnisse erkennst und verstehst habe ich bereits im letzten Blog Post behandelt.

Der nächste Schritt ist es, deinem Partner / deiner Partnerin zu erklären, was du brauchst, und wo deine Bedürfnisse eventuell zu kurz kommen. Dann erst wenn er / sie wirklich versteht, worum es dir geht, kann das Beziehungsproblem gelöst werden.

Bedürfnisse kommunizieren: Das Eisbergmodell

Bedürfnisse sind nicht immer eindeutlich und offensichtlich – häufig liegen sie verborgen hinter unserem Verhalten. Aus diesem Grund sprechen Verhaltensforscher auch oft vom Eisbergmodell der Kommunikation, das sich grob auf Sigmund Freuds Theorie des Bewusstseins zurückführen lässt. 

Das Eisbergmodell der Kommunikation

Laut diesem Modell kann man sich unsere Kommunikation als Eisberg vorstellen, von dem nur die Spitze über der Wasseroberfläche sichtbar und bekannt ist – unter der Oberfläche liegt jedoch noch viel mehr des Eisbergs verborgen.

Über der Oberfläche

Die Teile über der Wasseroberfläche symbolisieren unser sichtbares Verhalten und unsere offen vertretene Positionen durch Worte, Taten und Körpersprache. Konflikte in der Beziehung äußern sich auf dieser Ebene, da wir die Hintergründe des Verhaltens unseres Partners/unserer Partnerin meist nicht genau kennen.

Unter der Oberfläche

Unter der Wasseroberfläche lassen sich die unsichtbaren Hintergründe unseres Verhaltens finden, wie z.B. Bedürfnisse, Gefühle, Erfahrungen, Wertvorstellungen, Erwartungen, Ängste, Gedanken, Interpretationen, Absichten, Antriebe, innere Konflikte. Hier gibt es zwischen Partner*innen sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten.

Wenn es uns gelingt, unsere Bedürfnisse mitzuteilen, können wir die Gemeinsamkeiten unter der Oberfläche finden, die wir mit unserem Partner / unserer Partnerin teilen. Dadurch sind wir der Erfüllung unserer Bedürfnisse und damit der Lösung des Beziehungsproblems einen großen Schritt näher.

Warum wir unsere Bedürfnisse nicht (richtig) äußern

Doch was hält uns davon ab, ein Problem anzusprechen und unsere Wünsche klar zu äußern? 

Oft haben wir Angst davor, dass wir mit unseren Wünschen auf Ablehnung stoßen oder für sie verurteilt werden könnten – was dann dazu führt, dass wir lieber nichts sagen und darunter leiden, dass wir in unserer Beziehung nicht das bekommen, was wir wirklich brauchen. 

Die vielfältigen Gründe, die uns von der offenen Kommunikation mit unserem Partner / unserer Partnerin abhalten, lassen sich grob in die Kategorien Ängste, Erwartungen und Hemmungen einordnen:

Ängste

  • Angst, dass unser Wunsch könnte unangemessen oder unverschämt wirken könnte

  • Wir halten uns für egoistisch oder wollen nicht von anderen für egoistisch gehalten werden

  • Wir befürchten, dass sich das Problem noch weiter verschlimmert, wenn es ausgesprochen wird

Erwartungen

  • Wir sind uns vorab sicher, dass der/die andere genau das Gegenteil unseres Bedürfnisses will

  • Wir gehen davon aus, dass unser Bedürfnis ohnehin nicht erfüllbar ist

  • Wir deuten ein Bedürfnis nur vage an und meinen, unser Partner / unsere Partnerin müsse daraus das Bedürfnis klar herauslesen können

Hemmungen

  • Wir haben das Bedürfnis bereits in der Vergangenheit angesprochen und wollen nicht schon wieder bitten

  • Wir wollen nicht schuld sein, falls die Erfüllung unseres Bedürfnisses zu einem schlechten Ergebnis führt

  • Wir wollen keine Hilfe von Anderen in Anspruch nehmen

  • Wir denken, dass unsere Bedürfnisse nicht so wichtig sind, wie die Bedürfnisse anderer

  • Wir wollen unseren Partner / unsere Partnerin nicht in Verlegenheit bringen

All diese Gründe können der offenen Kommunikation mit unserem Partner / unserer Partnerin im Weg stehen. Meistens stellen wir uns den Ausgang jedoch weitaus schlimmer vor, als das tatsächlich der Fall ist. Denn indem du das Gespräch suchst, profitieren letztendlich sowohl du, als auch dein Partner / deine Partnerin davon.


Mein Tipp um Hemmungen zu beseitigen: Mach dir bewusst, dass sich deine Situation nicht von selbst ändern wird - in den meisten Fällen hast nur du die Macht, eine Veränderung zu bewirken. Du hast also deine Zufriedenheit selbst in der Hand - einfach indem du aussprichst, was du wirklich brauchst!


Bedürfnisse richtig kommunizieren

Indem wir die eigenen Bedürfnisse kommunizieren und können wir nicht nur dafür sorgen, dass unsere Bedürfnisse in der Beziehung erfüllt werden, sondern können durch die richtige Kommunikation eine konstruktive Gesprächsbasis schaffen und möglichen negativen Reaktionen unseres Partners / unserer Partnerin vorbeugen. 

Wenn du den ersten Schritt machst und dein Bedürfnis richtig kommunizierst, d. h. deinem Partner / deiner Partnerin die deine Gefühle und Hintergründe des Bedürfnisses erklärst, wird es dir dein Partner / deine Partnerin im Normalfall gleichtun – dadurch kannst du die Basis für ein offenes Gespräch schaffen, das die Voraussetzung für die Lösung deines Problems oder die Erfüllung deines Wunsches ist.

Etabliert hat sich hierbei der Prozess der „gewaltfreien Kommunikation“ von Marshall B. Rosenberg, der eine gute Methode darstellt, um die Kommunikation in emotional aufgeladenen Situationen zu erleichtern. Den Prozess hat Rosenberg in vier Komponenten zerlegt:

1. Beobachtungen beschreiben

Im ersten Schritt gibst du objektiv wieder, was in einer bestimmten Situation geschehen ist, in der deine Bedürfnisse nicht erfüllt wurden: Was genau ist vorgefallen? Welches Verhalten konntest du beobachten? Was wurde gesagt/gemacht?

Wichtig ist, dabei sachlich und konkret zu bleiben und auf Beurteilungen und Erklärungsversuche zu verzichten. Dadurch bewirkst du, dass es in eurem Gespräch nicht nur um das (Fehl-)Verhalten deiner Partnerin / deines Partners geht, sondern um die gesamte Situation (also euer beider Verhalten).

  • „Du hast nie Zeit für mich weil dir deine Arbeit wichtiger ist als ich!“ 

  • „In letzter Zeit hast du unsere gemeinsamen Abende mehrmals abgesagt, weil du aufgrund deiner Arbeit keine Zeit dafür hattest. “

2. Gefühle mitteilen

Nachdem du die Situation objektiv geschildert hast, kannst du mitteilen, was die beschriebene Situation in dir ausgelöst hat. Die eigenen Gefühle zur erkennen und in Worte zu fassen ist nicht immer einfach- nimm dir also genug Zeit, um dir Gedanken dazu zu machen! Teile deine Gefühle dann so offen und ehrlich wie nur möglich mit deinem Partner / deiner Partnerin:

  • „Dass wir so wenig Zeit miteinander verbringen macht mich traurig. Dass du dich nicht stärker dafür einsetzt, dir Zeit für uns zu nehmen, kränkt und verärgert mich.“

3. Bedürfnisse kommunizieren

In diesem Schritt erklärst du, welche deiner Bedürfnisse hinter deinen Gefühlen stehen. Zugegebenermaßen ist es nicht immer einfach, die eigenen Gefühle richtig zu benennen und einzuordnen – die dahinter liegenden Bedürfnisse richtig zu erkennen, ist teilweise sogar noch etwas schwieriger. Einige Tipps dazu findest du im letzten Blog Post.

  • „Es ist mir wichtig, dass wir in unserer Beziehung ausreichend Zeit miteinander verbringen. Ich möchte spüren, dass ich dir wichtig bin, indem du dich auch dafür einsetzt.“

4. Appell / Wunsch äußern

Abschließend geht es darum, eine mögliche Lösung vorzuschlagen: Was wünschst du dir in Zukunft von deinem Partner / deine Partnerin? Was kann sie bzw. er konkret tun oder lassen, um bei der Erfüllung deiner Bedürfnisse mitzuhelfen?

  • „Ich fände es schön, wenn wir einen fixen Abend pro Woche für Zeit zu zweit reservieren könnten. Es wäre mir wichtig, dass du dich bemühst, dir diesen Abend von der Arbeit freizuhalten.“

Wichtig:

  • Achte auf einen guten Zeitpunkt zum Äußern deines Bedürfnisses. Dein/e Partner*in sollte nicht unter Zeitdruck stehen und über ein gutes Energieniveau verfügen

  • Äußere  dich möglichst konkret zu deinem Anliegen

  • Formuliere positiv und vermeide Vorwürfe: „Bitte mache du heute den Abwasch“ und nicht „Willst du dich eigentlich auch mal an der Hausarbeit beteiligen?“

  • Bleibe bei Ich-Aussagen und verallgemeinere möglichst wenig

Falls dein Bedürfnis dennoch nicht erfüllt wird

Natürlich kann es trotz der richtigen Kommunikation vorkommen, dass dein Wunsch oder deine Bitte von deinem Partner / deiner Partnerin abgelehnt wird. Dafür kann es viele Gründe geben.

Wichtig ist, dass du das nicht sofort persönlich nimmst. Frage stattdessen nach den Gründen für die Ablehnung. Wenn du feinfühlig nachfragst und aktiv zuhörst, wirst du der wahren Ursache für die Ablehnung eher auf den Grund kommen – und vielleicht kommt ihr dadurch einer gemeinsamen Lösung doch noch näher.




 

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Eigene Bedürfnisse erkennen & verstehen